Sowohl Fair Fashion wie auch Fast Fashion Labels werben mit Kleidung aus Meeresmüll
Die Fair Fashion Labels Ecoalf und Got Bag versuchen mit eigenen Initiativen möglichst viel Meeresmüll zu entfernen und diesen entsprechenden Recycling-Lösungen zuzuführen
Der Begriff Meeresmüll ist in seiner Definition sehr dehnbar. Neben Müll aus dem Meer kann es sich auch um Müll handeln, der bis zu 50 Km entfernt von der Küste eingesammelt wird (sogenanntes Ocean Bound Plastic)
Bekannte Hersteller von recyceltem Garn wie Econyl® oder Sequal® verwenden lediglich einen geringen Anteil an PET, das aus dem Meer stammt
Recyceltes PET aus Meeresmüll wird unserer Meinung nach größtenteils als Marketing verwendet
Die viel zitierte These, dass es nach aktuellem Stand im Jahr 2050 mehr Plastik als Fische im Meer gibt, mag nicht eindeutig belegbar sein. [1] Dennoch lenkt die Behauptung viel Aufmerksamkeit auf ein enorm großes Umweltproblem. Die Meere sind voll mit Plastik. Vor allem Mikroplastik setzt den Meeresbewohnern erheblich zu.[2]
Diesem Problem begegnen einige Modelabels und bieten Rucksäcke bzw. Kleidung aus Meeresmüll an.
Das spanische Label Ecoalf setzt unter anderem einen starken Fokus auf das Recycling von Meeresplastik.
Aber auch Got Bag aus Mainz hat nach eigenen Angaben 2016 den weltweit ersten Rucksack aus Meeresplastik entwickelt und spart auf seinen Online Auftritten nicht mit dem Hinweis, dass ihre Produkte aus recyceltem Meeresplastik bestehen.
Quelle: Instagram Got-Bag
Das liest sich fast zu schön um wahr zu sein. Das Plastik aus dem Meer wird von Fischern eingesammelt und im Anschluss zu hochwertigem Garn verarbeitet.[3][4]
Dabei muss beachtet werden, dass nicht der gesamte Meeresmüll verarbeitet werden kann. Laut Got-Bag handelt es sich bei 11% des gesammelten Mülls um PET, das wiederum zu einem Garn verarbeitet werden kann. Der restliche Müll, so hat uns es auch Ecoalf auf Anfrage bestätigt, wird dabei ebenfalls geeigneten Recycling-Lösungen zugeführt.[5]
Im gleichen Zuge sind wir aber auch über mehrere Artikel und eine sehr kritische Aussage von Textilexperte Kai Nebel an der Hochschule Reutlingen im Zusammenhang mit Plastikmüll aus dem Ozean gestoßen. Demnach lässt der hohe Grad an Verunreinigung, die Sortenunreinheit sowie der schlechte Zustand von Plastikmüll aus dem Meer ein Recycling zumindest zu Garn nicht zu. Darüber hinaus stellt sich auch die Frage nach der Wirtschaftlichkeit bzw. den benötigten Ressourceneinsatz, um ein recyceltes Garn aus Meeresplastik zu erhalten.
Die Aussagen von Kai Nebel im Zusammenhang mit Ocean Plastic findet ihr im Beitrag des SWR ab Min. 08:25
Einerseits werben also Unternehmen wie Ecoalf und Got Bag mit Textilien aus Meeresmüll, gleichwohl steht der Vorwurf im Raum, dass es sich dabei nur um Greenwashing handelt und auch die Rentabilität nicht gegeben ist.
Grund genug für uns, einmal bei den beiden Labels anzufragen und nach deren Meinung zu fragen.
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In Bezug auf ökonomische Bedenken hat uns Ecoalf mitgeteilt, dass 2015 die Ecoalf Foundation gegründet wurde und als Non Profit Organization (NPO) das folgende Hauptziel verfolgt:
„The Foundation’s core mission is to protect our oceans and to fight marine litter, and therefore the project collects and guarantees the proper management of 100% of the waste collected, rather than only collecting the waste that can be used to create garments“ – Ecoalf –
Fokus liegt daher in erster Linie auf einer ganzheitlichen Betrachtung, wenn es darum geht, unsere Meere von Müll zu befreien. Die Rentabilität für die NPO steht an dieser Stelle nicht im Fokus. Der Anteil an PET wiederum, wird Ecoalf zur weiteren Verarbeitung zur Verfügung gestellt.
Auf die Aussage, dass es sich bei Kleidung aus Meeresmüll lediglich um Greenwashing handelt, begegnet Ecoalf wie folgt:
„I think that it depends on a few factors. Yes, ocean plastic can be used as a way to greenwash. Our Upcycling the Oceans project ensures the proper management of all recovered waste, not just the 5-10% that is PET which can be turned into yarn, if a company chose to only source the 5-10% it is a sort of greenwashing as they are not removing plastic debris from the ocean for environmental purposes, but simply to source new materials.” -Ecoalf –
Es hat uns natürlich auch interessiert, wer das Garn herstellt, das Ecoalf bspw. für Textilien aus Meeresmüll verwendet und ob es sich ausschließlich um Meeresplastik handelt.
Our Ocean Yarn (a recycled polyester) is ours, we source it through Ecoalf Foundation’s Upcycling the Oceans Project and develop it ourselves. However, we do use ECONYL Regenerated Nylon in a limited number of our products, primarily our swimwear, but they are two completely different materials. – Ecoalf –
[…] it is extremely complicated to turn Ocean Plastic into top-quality yarn. We have spent years investing in R&D to get it to where it is now, however, we still mix the plastic bottles collected from the bottom of the ocean, with plastic bottles sourced from local recycling plants -Ecoalf –
Ecoalf hat also ein eigenes Ocean Garn entwickelt. Das Meeresplastik wird allerdings mit recyceltem PET von Land angereichert.
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Auch Got Bag adressiert das Thema Meeresplastik ganzheitlich und hat dazu ihr eigenes Clean-Up Programm aufgebaut.
Konkret arbeiten wir […] in Demak auf Java in Indonesien mit einem Netzwerk von rund 2.300 Fischern zusammen, die das Meeresplastik aus küstennahen Gewässern, Mangrovenwäldern und der Delta-Region der dortigen Flüsse sammeln. Mit dem Ausbau unserer Clean-up-Aktivitäten können wir inzwischen auch bereits an Land und in Flüssen eingreifen und verhindern, dass das Plastik überhaupt erst ins Meer gelangt. An einem der weltweit am stärksten verschmutzten Flüsse, dem Ganges, bauen wir zum Beispiel einen Trash Boom. Das ist ein Schwimm-Element, das River Plastic abfängt und somit verhindert, dass es ins Meer gelangt.
– Got Bag –
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Mit Blick auf die Rentabilität und die Aussage, dass es sich bei Kleidung aus Meeresmüll um Greenwashing handelt, hat Got Bag Folgendes geantwortet:
“Allgemeine Aussagen zur Rentabilität von recyceltem Meeresplastik und dass es sich dabei um Greenwashing handelt finden wir schwierig – da sowohl Wissenschaft als auch in diesem Bereich tätige Organisationen mit ihren Erkenntnissen noch ganz am Anfang stehen und sich und ihre Arbeit stetig weiterentwickeln.” – GOT BAG –
Auf die Frage, wer das Garn herstellt und ob es sich ausschließlich um Meeresplastik handelt, haben wir bislang kein Feedback erhalten.
Was wir durch unsere Recherche noch herausfinden konnten, dass Got Bag laut seiner Kickstarter Kampagne (letzte Aktualisierung der Kampagne Februar 2019) unter anderem Sequal® als Kooperationspartner nennt.
Die Sequal Initative beschreibt sich selbst als „unique collaborative Community fighting plastic pollution“[6]Gleichzeitig bietet Sequal® auch den Sequal® Yarn an, der nach eigenen Angaben zu 10% aus Upcyceld Marine plastic (from plastic marine litter) und zu 90% aus Post-Consumer PET von Land stammt.[7]
Zudem wird der Rolltop Backpack auch auf Oceanworks®, nach eigenen Angaben der größte Marktplatz für nachhaltige Materialien, geführt.[8]
Oceanworks® bietet als Markplatz auch die Möglichkeit, Garn aus 100% recyceltem Meeresplastik zu kaufen.[9] Bei allem verfügbaren Garn aus PET, das wir auf der Seite finden konnten, findet sich der Hinweis, dass es sich um sogenanntes Ocean-Bound Plastik handelt. Hierbei handelt es sich um Plastikmüll, der sich in einem Radius von 50 Km von der Küste entfernt auf Land befindet. Die Zuordnung zu Meeresmüll beruht auf der Tatsache, dass es naheliegend ist, dass dieser Müll im Meer enden wird. [10]
Leider haben wir die Aussage nicht vorliegen, welches Garn Got Bag tatsächlich verwendet. Mit Blick auf die Kickstarter Kampagne und Sequal® als genannten Kooperationspartner könnte es Sequal® Yarn sein, aber auch Garn von Oceanworks® oder dem im Zusammenhang mit Ecoalf erwähnten Econynl® ist ebenfalls möglich. Der Vollständigkeitshalber muss auch erwähnt werden, dass es sich um ein eigens Garn handeln kann, dass ggf. einen höheren Anteil an reyceltem Meeresplastik enthält.
Beim Garn von Sequal® wie auch von Oceanworks® haben wir festgestellt, dass entweder der Anteil sehr gering ist oder die Definition von Meeresplastik sehr weit gefasst wird.
Zu Econyl® haben wir ebenfalls noch einen spannendes Video, das wir mit euch teilen möchten, bei dem auch auf das Thema Ocean Bound Plastic eingegangen.
Wichtig ist außerdem, dass auch hier Got Bag genannt wird. Es wird betont, dass bislang der Nachweis noch nicht erbracht wurde, dass es sich bei dem Garn von Got Bag tatsächlich um Plastik aus dem Meer handelt.
Was halten wir von dem Versprechen „Kleidung aus Meeresmüll“ – Alles Fake oder doch eine Alternative?
Zunächst möchten wir betonen, dass wir es extrem spannend finden, dass Unternehmen wie Got Bag und Ecoalf den Anspruch haben, die Meere von Plastikmüll zu bereifen. Das Clean Up Programm sowie die Ecoalf Foundation sind hier tolle Ansätze, die auf jeden Fall hervorgehoben werden müssen.
Ob es aus ökonomischen und ökologischen Aspekten überhaupt sinnvoll ist, können wir abschließend nicht bewerten.
Die Kosten von dem aus recyceltem Meeresplastik hergestellten Brieföffner (siehe Video „Why recyceld ocean plastic is (often) a lie, Min. 05:20) sowie die Aussagen von Kai Nebel, lassen uns aber eher zweifeln.
Wir haben zudem den Eindruck, dass bei genauerem Hinschauen, die Fassade von Textilien aus Meeresmüll bröckelt. Egal ob der eigene Garn von Ecoalf oder von Sequal® und Econyl®. Der Anteil an Meeresplastik ist oftmals so gering, dass wir es nicht für angemessen halten, überhaupt von einem Garn aus Meeresplastik zu sprechen. Uns scheint die Aussage von Kai Nebel an dieser Stelle bestätigt, dass es zu Marketingzwecken verwendet wird.
Daher möchten wir uns der Aussage von Raffi Schieir aus dem Video „Why recyceld ocean plastic is (often) a lie“ anschließen.
“There is no need for brands to overreach their marketing for what can be such a powerful story of cleaning up our coastlines.”[11]
Unserer Meinung nach untergraben gerade junge Fair Fashion Labels ihre Glaubwürdigkeit genau in diesem Moment, in dem Marketing wichtiger ist, als der eigentliche Impact, der durch die Produktion von fairen Produkten erzielt werden kann.
Vor allem werden die eigentlichen Bemühungen der Labels, das Meer von Plastik zu befreien, in den Hintergrund gerückt, bzw. fangen wir persönlich an, dann auch diese Bemühungen in Frage zu stellen. Zusammengefasst: die Glaubwürdigkeit geht verloren.
Da hilft unserer Meinung auch nichts, wenn man durchaus viele Informationen, wie bspw. genaue Definitionen der gefährdenden Plastikvorkommen für das Meer bei den Labels findet. Die Bildsprache und auch Werbeslogans vermitteln unserer Meinung nach genau eine Aussage: Unsere Produkte bestehen aus Plastik, das im Meer schwimmt- Soweit wir das jetzt beurteilen können, stimmt das zu großen Teilen leider nicht.
Update zu Got Bag:
Nach der Veröffentlichung unseres Artikels hat uns Got Bag ein Gespräch angeboten. Wir durften mit Benny, einem der Gründer von Got Bag ein kurzes Interview führen.
Quelle: https://got-bag.com
Dabei sind wir auf folgende Fragen eingegangen:
Wie hoch ist der Anteil an Meeresplastik (PET) in eurem verwendeten Garn?
Wie stehst du zu der Aussage, dass der Begriff Meeresplastik schnell als Greenwashing wahrgenommen wird?
Handelt es sich bei dem von euch gesammelten Plastik ausschließlich um Ocean Plastic?
Benny hat uns im Interview versichert, dass ihr Garn zu 100% aus recyceltem Meeresplastik (PET-Anteil) besteht. Das Meeresplastik wird, wie auf der Seite von Got-Bag erläutert, im Rahmen von Clean-Up Programmen durch Fischer gesammelt.
Der Meeresmüll wird dabei vor allem an Flussmündungen ins Meer, in Mangrovenwäldern und auch an Stränden gesammelt. Meeresplastik, das bereits seit langem im Meer herumtreibt, wird laut Benny nicht gesammelt. Demnach handelt es sich hier vor allem um sogenanntes Ocean Bound Plastic (Meeresplastik, das bis zu 50 Km entfernt von der Küste in Ländern mit einer nicht funktionierenden Abfallwirtschaft).
=> Detaillierte Erläuterung zum Thema Ocean Bound Plastic im DW Video „Why recyceled ocean plastic is (often) a lie“ – ab Min: 6:00)
Benny hat uns in diesem Zusammenhang nochmal erklärt, dass sie hier einen großen Impact sehen, um das Plastikproblem bereits in seinem Ursprung zu bekämpfen. Community Points sind geplant, an denen Menschen ihren Müll abgeben können, damit dieser nicht mehr unkontrolliert in der Umwelt landet.
Im Zusammenhang mit der Aussage von Kai Nebel gegenüber dem SWR, dass recyceltes Meeresplastik für Textilien als Greenwashing zu verstehen ist, hat Benny eine geteilte Meinung. Der Begriff Meeresplastik wird an dieser Stelle laut seiner Aussage zu Allgemein verwendet.
Bei Folgenden Aussagen stimmt Benny mit den Aussagen von Kai Nebel überein:
Plastik, das bereits lange im Meer schwimmt ist schwer zu sammeln
Plastik, das bereits lange im Meer schwimmt ist schwer zu recyceln
Cleanups und Co. können den Bedarf großer Fast Fashion Riesen nicht decken
Benny widerspricht Kai Nebel, Meeresplastik pauschal als Greenwashing zu bezeichnen.
Laut ihm muss der Begriff Meeresplastik weitergedacht werden, als nur Plastik, das bereits im Meer schwimmt. Wie bereits erwähnt, trägt auch das sogenannte Ocean Bound Plastic erheblich dazu bei, die Meere von Plastik frei zu halten.
Abschließend zum Interview müssen wir noch zwei Korrekturen aus den oben genannten Aussagen zu Got Bag erwähnen. Die Kooperation mit Sequal® hat Got Bag bereits 2019 beendet und es gibt auch keine Kooperation mit Oceanworks®.
Wir fanden das Gespräch super interessant und unser Verständnis von Ocean Bound Plastic hat sich dadurch auf jeden Fall nochmal verändert. Das Problem bereits an der Wurzel zu packen macht für uns absolut Sinn und wir danken Benny für das Gespräch.
Unseren Standpunkt, dass oftmals der Anschein erweckt wir, die Marketingbotschaft ist wichtiger, als die eigentliche Story vertreten wir dennoch weiterhin. Benny hat auch hier im Gespräch angedeutet, dass die Überlegung besteht, einen eigenen Begriff zu schaffen, der sich von recyceltem Meeresplastik abgrenzt, um mehr Transparenz zu schaffen.
Transparenz finden wir in diesem komplexen Thema auch extrem wichtig, ebenso wie klare und einfache Werbebotschaften. Unterstreichen möchten wir diese Aussage mit einer Produktbewertung auf YouTube aus dem letzten Jahr. Wenn du Got Bag bei Youtube eingibst, erscheint das Video an erster Stelle.
Es handelt sich dabei um eine bezahlte Werbekooperation (Information auf YouTube) mit Jo’s Lifestyle.
In dem Video hat uns folgende Aussage verwirrt:
„[…] weil er zu 100% aus 3 KG Plastikmüll besteht, der sich leider ja im Ozean befindet. […|“ – Jo’s Lifestlye YouTube ab Min. 0:13
Soweit wir das verstehen wurde für den Rucksack 3,5 KG Meeresplastik recycelt. Laut Got Bag werden davon aber nur 11% (Anteil PET) recycelt, um daraus ein Garn zu gewinnen. Auf der FAQ Seite wird das auch nochmal detailliert erläutert. Reißverschlüsse, Knöpfe und Elemente zur Polsterung werden aus rPET hergestellt. Darüber hinaus ist es eben kein Plastik, das sich im Ozean befindet, sondern eher im Ozean landen könnte.
Quelle: https://got-bag.com/pages/faq
In den FAQ erläutert Got Bag im Detail nochmal, welcher Anteil des Meeresplastik zur Verarbeitung des Garn verwendet werden kann.
Im Produktslider wie auch auf der Produktdetailseite spricht Got Bag von 3,5 KG Meeresplastik, das im Zusammenhang mit dem Rucksack recycelt wurde.
Das soll kein Vorwurf an Jo’s Lifestyle sein. Die Informationen sind sehr leicht missverständlich und unserer Meinung unübersichtlich dargestellt. Auch wir können nicht ausschließen, hier etwas falsch zu verstehen. Mit diesem Beispiel möchten wir nochmal die Gefahr betonen, dass Glaubwürdigkeit verloren geht und Marketing wichtiger ist, als der eigentlich geleistete Impact.
Ergänzung zu unserer Meinung: Ist Kleidung aus Meeresmüll jetzt eine echte Alternative oder ist Alles nur Fake?
Kleidung aus recyceltem Ocean Bound Plastic erachten wir nach dem Gespräch mit Benny durchaus als eine gute Sache. Im Idealfall kann auf „virgin Polyester“ verzichtet werden und gleichzeitig ein wichtiger Beitrag zum Umweltschutz beigetragen werden. Recyceltes Meeresplastik, das wirklich im Meer treibt, würden wir eher als Fake bzw. Greenwashing bewerten. Die ökologische Bewertung können wir leider auch nach dem Gespräch mit Got Bag nicht bewerten, da hier viele Faktoren, wie der Recyclingprozess (chemisch oder mechanisch) sowie das Thema Mikroplastik in die Bewertung einfließen muss.
FAQ
Wo ist am meisten Plastik im Meer?
Die größte Ansammlung an Plastik im Meer findet sich im Great Pacific Garbage Patch im Nordpazifik. Es wird geschätzt, dass der Great Pacific Garbage Patch eine Fläche, dreimal so groß wie Frankreich besitzt.
Was ist Ozeanplastik?
In unseren Meeren gibt es fünf große Plastikstrudel, die zu 99% aus Plastik bestehen. Der bekannteste davon ist der Great Pacific Garbage Patch im Nordpazifik. Mittlerweile gibt es auch unterschiedliche Definitionen für Ozeanplastik. Angefangen von sogenanntem Ocean Bound Plastic, das bis zu 50 Km entfernt an der Küste liegt und in Ländern mit fehlender Abfallwirtschaft leicht ins Meer gelangen kann, bis hin zum Mikroplastik. Mit weniger als fünf Millimeter nehmen zahlreiche Meereslebewesen Mikroplastik auf, was lebensbedrohliche Folgen nach sich zieht.
Was wird gegen Plastik im Meer getan?
Mit sogenannten Ocean Clean Ups wird versucht, in erster Linie Strände von Plastik zu befreien. Zudem gibt es Projekte, bei denen versucht wird, das Plastik aus dem Meer mit einer Art Riesenstaubsauger aus dem Meer zu saugen – wenn auch aktuell mit geringem Erfolg. Ein großer Beitrag kann geleistet werden, wenn das Plastik bereits geeigneten Recycling Lösungen zugeführt wird, bevor es ins Meer gelangt. Mehr dazu verrät Benny von Got Bag im Interview mit uns.
Hi, danke für den Artikel. Ein paar Fragen bleiben bei mir offen und da ihr gerade mitten drin seid könnt ihr mir vielleicht helfen:
1. Wenn ich das richtig verstanden habe wird Müll aus Meeren gesammelt und ca. 10% ist dafür zur Garnverarbeitung verwertbar. In eurem Artikel klingt es so, als sei das Garn dann auch nur aus 10% Meeresabfall. Aber das Garn besteht doch aus 100% Meeresabfall. Also werden sozusagen 1000% rausgefischt um 100% Garn zu machen. Das ist doch gut… oder wo ist mein Denkfehler?
2. Ihr sprecht die Ökobilanz an ohne weiter darauf einzugehen. Könnte ihr da zahlen und Fakten nennen?
3. Mehr Marketing als wahre Handlung ist immer schwer, ganz greifen kann ich die Kritik aber irgendwie noch nicht. Könnt ihr das nochmal in einen Satz packen?
vielen Dank für deinen Kommentar. Gerne beantworte ich deine Fragen 🙂
Zu 1.
Ja, grundsätzlich wird bspw. durch die Cleanups von Got Bag sowie der Stiftung von Ecoalf Müll aus den Meeren gesammelt. Ja, bei ca. 10% des gesammelten Meeresmüll handelt es sich um PET. Das heißt jetzt aber noch nicht, dass das fertige Garn auch zu 100% aus Ocean Plastic besteht.
Das Garn von Sequal bspw. besteht zu 10% aus Ocean Plastic und zu 90% aus recyceltem PET von Land. Bei Quelle 7 im Artikel kannst du das auch nochmal im Detail auf Sequal nachlesen.
Ecoalf hat uns auch bestätigt, dass sie ihren selbst entwickelten Garn ebenfalls mit recyceltem PET von Land anreichern. Von Got Bag haben wir hierzu leider keine eindeutige Aussage vorliegen.
Und bzgl. Econyl möchte ich auf das Video von SW News verweisen. Hier wird auch der geringe Anteil von „Ocean“ Plastic hervorgehoben (ab Min. 04:30).
zu 2.
Gegenüber dem SWR stellt Kai Nebel grundsätzlich in Frage, wie nachhaltig recyceltes PET im Allgemeinen ist. Er bezieht sich dabei unter anderem auf ein aufwendiges Reinigen, das den Einsatz von Chemikalien erfordert. Ihm liegt auch keine Studie vor, die eindeutig belegt, dass es sich bei recyceltem PET um eine nachhaltige Alternative als Rohstoff für die Herstellung von Kleidung handelt. Zudem kommt bei Ocean Plastic noch der extrem hohe Grad an Verunreinigung durch Salz, Sand etc. hinzu.
Das war die Grundlage, wieso wir selbst nachfragten und eine Auskunft über die Ökobilanz im Speziellen von Ocean Plastic erhalten wollten.
Von Got Bag haben wir die Info erhalten, dass keine chemischen Zusätze verwendet werden, allerdings wurde hier nicht weiter ins Detail gegangen.
Ecoalf hat folgende Aussage zu der Ökobilanz von recyceltem PET zu konventionellem PET gegenüber uns erwähnt:
[…] by using recycled PET we are reducing water consumption by 20% and energy consumption by 50%, CO2 emissions by 60%* (*Estimated data on recycled PET vs conventional polyester). – Ecoalf –
Leider konnten wir auch keine Studie finden, die das bestätigt und daher haben wir in unserem Fazit auch betont, dass wir in Bezug auf ökologische Aspekte abschließend keine Bewertung abgegeben können.
Zu 3.
Die verwendeten Bilder und Slogan lassen vermuten, dass die angebotenen Textilien aus Plastik hergestellt werden, das im Meer herumtreibt. Wenn es sich bei dem Plastik jetzt aber tatsächlich nur um einen geringen Anteil handelt, der wirklich aus dem Meer stammt, finden wir es schwierig, so offensiv mit Kleidung aus Meeresmüll Marketing zu betreiben. Daher auch die Aussage, dass für uns dann auch die Glaubwürdigkeit leidet.
Ich hoffe, dass ich damit deine Fragen beantworten konnte?
Liebe Grüße
Julian
Wirklich wirklich toller und informativer Artikel. Ich befasse mich selbst viel mit Nachhaltigkeit, aber was du hier recherchiert und mit uns geteilt hast war auch für mich neu und sehr interessant. Auch habe ich hierzu noch sehr wenige Beiträge oder ähnliches gefunden, daher noch einmal einen größeren Dank für deine Aufklärung. Ich finde es auch echt toll, dass du das ganze so kritisch siehst und auch nach deinem Gespräch deine Standpunkte nicht überworfen hast.
Danke & mach weiter so, ihr habt gerade definitiv einen neuen follower gewonnen 🙂
Gruß, David
danke für deine Nachricht.
Der Artikel von Utopia bezieht sich auf die Recherche von der Zeit und dem Newsletter-Magazin Flip.
Was die Kommunikation und die irreführenden Angaben an enthaltenen Materialien betrifft, sind wir ganz deiner Meinung.
Hier findest du ja in unserem Artikel auch nochmal gute Beispiele (Instagram von GotBag und Influencer auf Youtube), da diese noch aus dem letzten Jahr sind.
Ebenso haben wir die Aussage von Textilexperten Kai Nebel gegenüber Flip in Bezug auf Meeresplastik bereits letztes Jahr in dem SWR Beitrag (im Artikel verlinkt) zitiert.
Aus diesem Grund schreiben wir unserem Fazit nach dem Gespräch mit Benny auch ganz klar, dass die Kommunikation aus unserer Sicht Greenwashing ist.
Wir sind aber auch der Meinung, dass Gotbag mit seinen Bemühungen, Plastik zu sammeln bevor es ins Meer gelangt, durchaus einen wertvollen Beitrag leistet.
Darauf wollten wir in unserem Beitrag auf jeden Fall auch eingehen.
Hallo an die Redaktion … ich verstehe nicht was schlecht daran ist wenn man Plastik vom Land auch mit recycelt und dann benutzt ? Hauptsache Recycling und Hauptsache das Plastik landet weder im Meer noch sonst wo – statt diese Firmen anzugreifen und ihnen Greenwashing vor zu werfen sollte man sie unterstützen – es gibt nämlich viel zu wenige davon! Wenn man sich die Modebranche mal so anschaut … Gruß Christine
vielen Dank für deine Nachricht. Wir stimmen dir absolut zu, dass es sinnvoll ist, auch Plastik an Land zu sammeln und geeigneten Formen des Recyclings zuzuführen. Das betonen wir auch nochmal in unserem Artikel. Ich möchte hier nochmal die Aussage von Raffi Schieir hervorheben “There is no need for brands to overreach their marketing for what can be such a powerful story of cleaning up our coastlines.”
In der Kommunikation aber den Schwerpunkt auf Ocean Plastic zu setzen (was zum Zeitpunkt der Recherchen der Fall war), kann irreführend sein und Verbraucher:innen täuschen.
Wir begrüßen daher alle Maßnahmen, unsere Umwelt frei von Plastikmüll zu bekommen, die Kommunikation sollte aber den Maßnahmen entsprechend angepasst werden.
Ich wünsche dir alles Gute und hoffe, deine Frage beantworten zu können.
Julian